Herr Dr. Tabori, wie der Namensgeber unserer Gesellschaft (Dr. Ignaz Semmelweis) sind auch Sie über die Gynäkologie und Geburtshilfe zur Hygiene gekommen. Was waren die Auslöser für eine Hinwendung zu diesem Bereich, die ja letztendlich dazu führte, dass Sie sich als Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene nun ganz dem Thema widmen?
Ich glaube, dass Gynäkologen ein besonderes Verhältnis zu Infektionen haben, da es für die Geburtshelfer (Ärzte wie Hebammen) ja kaum etwas Schlimmeres gibt, als ein Neugeborenes oder eine junge Mutter einer Infektion wegen zu verlieren – insbesondere dann, wenn diese womöglich vermeidbar gewesen wäre. So muss es auch dem jungen Ignaz Semmelweis ergangen sein. In der Konsequenz hat er durch seine Erkenntnisse und Maßnahmen – trotz aller Anfeindungen – die Medizin so massiv vorangebracht wie kaum ein anderer (außer vielleicht Edward Jenner mit der Impfung). Vielleicht ist man deswegen gerade als Gynäkologe durch sein „Erbe“ in besonderem Maße geprägt.
Jedenfalls haben mich persönlich die Infektiologie und Infektionsprävention stets sehr beschäftigt. Viele Erkrankungen und Probleme in der Frauenheilkunde sind durch Infektionen und ihre Auswirkungen verursacht. Man kann die Frauenheilkunde (meiner Meinung nach aber auch jedes andere medizinische Fach) ohne fundierte Kenntnisse der Infektiologie, Infektionsprävention und die konsequente Befolgung der hygienischen Erfordernisse nur schwerlich gut betreiben. Dies gebietet schon der Respekt vor dem Menschen, der sich als Patient vertrauensvoll in unsere Behandlung begibt.
Sehr treffend formulierte Johann Peter Frank (1745 – 1821, seit 1795 Professor am AKH Wien): „Kann es wohl einen größeren Widerspruch geben als eine Spitalkrankheit? Ein Übel, welches man da erst bekommt, wo man sein eigenes loszuwerden versucht?“ Selbst nach zweihundert Jahren hat diese Aussage nichts an Gültigkeit verloren und zeigt, dass Infektionsprävention und Patientenschutz von Hippokrates über Semmelweis, Lister, Pasteur, Koch – um nur einige wenige zu nennen – bis heute einen zentralen Bestandteil unserer Bestrebungen und ärztlichen Berufsethik darstellt.